Die externen Konfliktparteien im Syrischen Bürgerkrieg

Machen wir uns ein Bild, welche externen Mächte aktuell in Syrien involviert sind. Die Herausforderung, in dieser Gemengelage durchschlagende Erfolge gegen ISIS zu erzielen, ist gewaltig.

Saudi-Arabien als sunnitische „Schutzmacht“

Saudi-Arabien und Katar treiben ein doppeltes Spiel. Reiche Geschäftsleute in diesen Ländern zählen zu wichtigen Financiers von ISIS oder der al-Nusra-Front. Gleichzeitig beteiligt man sich offiziell aber auch am Kampf des Westens gegen ISIS im Irak und in Syrien. Diese Lösegeldzahlungen im Austausch für einen vermeintlichen Schutz vor Anschlägen müssen enden, stellen sie doch eine nicht unbedeutende Finanzierungsquelle für ISIS dar. Beide Golfstaaten fühlen sich vom Iran herausgefordert, besonders nachdem dieser seinen Einfluss in der Region deutlich ausweiten konnte. So hatte der Irak einen schiitischen Ministerpräsidenten nach den ersten freien Wahlen bekommen. In Syrien konnte sich Baschar al-Assad, der als Alawite einer schiitischen Glaubensrichtung angehört, trotz aller Proteste an der Macht halten. Der Einfluss Teherans reichte spätestens mit der Wahl Nuri al-Malikis im April 2006 bis ans Mittelmeer. Dies hat man mit wachsenden Sorgen in Riad vernommen und so erklärt sich, warum saudische Truppen 2011 in Bahrain die (friedlichen) Proteste der Schiiten unterdrückten. Ebenso ist das saudische Königreich aktiv im Bürgerkrieg im Jemen beteiligt. Hier hatte eine schiitische Huthi-Miliz im Februar 2015 erfolgreich gegen die Zentralregierung geputscht und große Teile des Landes erobert. Saudi-Arabien muss sich nun auch an seiner Südflanke bedroht sehen. Bereits vor dem Bürgerkrieg hatte sich hier al-Qaida ausbreiten können, die das Land aufgrund des internationalen Afghanistan-Einsatzes als mögliches Rückzugsgebiet betrachtete. Auch ISIS vermochte jüngst seinen Einfluss auf den Jemen auszudehnen. Trotz dieser Umschließung von Bürgerkrieg und Terror wird eine Kooperarion mit dem Schiiten Assad im Kampf gegen ISIS wohl nur schwer die Zustimmung der Golfstaaten erhalten.

Russlands Rückkehr auf die internationale Bühne

Russland unterstützt das Assad-Regime seit dem 30. September 2015 auch militärisch mit Luftschlägen und besitzt in Tartus einen Marinestützpunkt und neuerdings in Latakia eine eigene Luftwaffenbasis. Lange Zeit war insbesondere die Freie Syrische Armee Ziel der russischen Angriffe. Erst mit dem Anschlag auf die russische Passagiermaschine, die am 31. Oktober 2015 über dem Sinai abstürzte, änderte sich das Vorgehen. Am 17. November 2015 bestätigte Putin offiziell, dass es sich tatsächlich um einen Terrorangriff gehandelt hatte. In Folge dessen sind die russischen Luftschläge auch auf Stellungen von ISIS ausgeweitet worden. Russland will bei der Neuordnung Syriens und des Nahen Ostens ein Wort mitreden, was für eine Stabilisierung der Region von Vorteil sein kann. Bereits das Zarenreich hatte sich als Schutzmacht der orientalischen Christen begriffen. Eine Wechselwirkung zur Krise in der Ukraine kann nicht ausgeschlossen werden und ein Entgegenkommen des Westens gegenüber Russlands anstoßen. Bei einer solchen Entwicklung müsste mit Gegenreaktionen der Kiewer Regierung gerechnet werden.

Der Iran als schiitische „Schutzmacht“

Der Iran ist als selbsternannte Schutzmacht der Schiiten der treueste Verbündete des Assad-Regimes. In Syrien sind seit langem iranische Bodentruppen am Kampf gegen die Freie Syrische Armee, die al-Nusra-Front oder ISIS beteiligt. Gleichzeitig betrachtet Teheran die Region als wichtiges Schlachtfeld zwischen Schiiten und Sunniten und führt hier einen Stellvertreterkrieg gegen den Erzfeind Saudi-Arabien. Infolge der Besetzung des Iraks 2003 hatte der Iran seinen Einfluss in Nahost gewaltig ausweiten können. Wer hätte erwartet, dass der Iran mit seinen Verbündeten einmal die Gebiete bis zur Mittelmeerküste kontrollieren würde? Sowohl in Bagdad als auch in Damaskus sind heute schiitische Glaubensbrüder an der Macht, in Libanon unterstützt Iran die Hisbollah, die einen gefährlichen Staat im Staate darstellt. Auch am Bürgerkrieg im Jemen ist man beteiligt, handelt es sich doch bei den aufständischen Huthi um Zaiditen, also um eine schiitische Sekte. Noch scheint sich der Iran nicht in größerem Ausmaß in Afghanistan zu engagieren, doch besitzt auch hier Teheran mit den schiitischen Hazara eine mögliche Basis im Land. Der Iran ist wie Pakistan an einem stabilen Afghanistan aus machtpolitischen Erwägungen nicht interessiert.

Der Westen überfordert in zahllosen Konflikten

Die USA und die westlichen Verbündete beschlossen nach dem Völkermord der ISIS-Terroristen an den Jesiden im Spätsommer 2014, Luftangriffe gegen Stellungen der Terrororganisation im Irak durchzuführen. Später wurden die Luftschläge auch auf Syrien ausgedehnt. Gleichzeitig unterstützt der Westen logistisch die kurdischen Peschmerga, die Freie Syrische Armee (FSA) sowie die regierungstreue irakische Armee. Zwar ist der verlässlichste Partner des Westens unzweifelhaft die syrischen und irakischen Kurden, doch erschwert dies die Einbindung der Türkei, die insbesondere die YPG, einen Ableger der PKK, aus der Luft angriffen hat. Es soll ebenfalls nicht verschwiegen werden, dass es in der Vergangenheit gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen der FSA und YPG gegeben hatte, bis die Konfliktparteien am 5. November 2012 einen Waffenstillstand unterzeichneten, der sich als äußerst brüchig erwiesen hat. Auch die irakische Armee stellt den Westen vor große Herausforderungen, zeigt sie doch wenig taktisches Geschick. Den Vormarsch der ISIS und die Eroberung von Mossul oder Tikrit konnten die Iraker nicht verhindern, die Truppe floh sogar vor den Terroristen und überließ ISIS neueste amerikanische Ausrüstung. Wer kann heute ausschließen, dass es vielleicht sogar Absprachen zwischen ISIS-Kommandeuren und Offizieren der Armee gab? Auch Afghanistan bleibt ein wichtiges Operationsgebiet der USA und ihrer Verbündeten. Nach neuesten Meldungen hat sich auch hier mittlerweile ISIS – in Konkurrenz zu al-Qaida und den Taliban – in einigen unzugänglichen Gegenden niedergelassen. Die Sicherheitslage hat sich am Hindukusch 2015 immer weiter verschlechtert, so dass auch die Bundeswehr ihr Engagement erhöhen will, wenn auch nur in geringem Umfang.

Die Türkei auf Schlingerkurs

Die Türkei treibt ebenso wie die Golfstaaten ein doppeltes Spiel. Lange Zeit wurde ISIS verdeckt gefördert, um vor allem das verhasste Assad-Regime zu schwächen. Dann schwenkte Ankara widerwillig auf die Linie des Westens um. Nichtsdestotrotz kann der sogenannte Islamische Staat weiterhin Menschen und Material über die türkische Grenze in ihr Einflussgebiet bringen, während gleichzeitig irakisches Erdöl über die Türkei verkauft wird. Die Freie Syrische Armee wird offiziell unterstützt, während gleichzeitig Krieg gegen die kurdische PKK geführt wird. Die betrifft mit der YPG auch den syrischen Ableger der PKK, obwohl dieser mit dem Westen im Kampf gegen ISIS verbündet ist. Ähnlich angespannt ist die Lage zwischen den irakischen Peschmerga und der Türkei. Der Westen sollte dringend auf den NATO-Partner einwirken, die kurdische Frage in Anatolien endgültig zu lösen. Nicht auszudenken wäre es, wenn im Hinterland der Konflikt zwischen den Kurden und der Türkei eskaliert, während vorne die internationale Koalition ISIS und al-Nusra bekämpft. Auch die Haltung der Türkei in der Flüchtlingskrise ist ambivalent. Die zahllosen Bürgerkriegsflüchtlinge werden offenbar als Druckmittel eingesetzt, um von der EU weitreichende Zugeständnisse zu erhalten. Nur Erdogan besitzt derzeit die Mittel, den Zuzug der Migranten in die EU zu unterbinden.

Schiitischer Terror – die Hisbollah

Zuletzt sei auch die Hisbollah im Libanon erwähnt, die als enger Verbündeter Teherans auch in Syrien auf der Seite von Baschar al-Assad streitet. Dass dabei die Gefahr einer Ausweitung des Krieges auf den Libanon groß ist, wird von der Terrororganisation billigend in Kauf genommen. Bereits jetzt gibt es zahlreiche Anschläge von ISIS in Beirut. Ebenso gelang es sowohl der al-Nusra-Front als auch ISIS einige kleinere Gebiete an der Grenze zu Syrien unter ihre Kontrolle zu bringen. Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs ist der Libanon mit zahlreichen Flüchtlingen bevölkert, bei offenen Kämpfen droht eine neue Flüchtlingswelle. Wahrscheinlich würde es auch das Ende der christlichen Maroniten im Land bedeuten. Die Hisbollah wird überdies alles unternehmen, um gegen den israelischen Erzfeind zu Felde zu ziehen, was in einem destabilisierten Libanon noch einfacher wäre. Hier würde ein offener Krieg mit Israel drohen, dem bereits 2006 im Libanonfeldzug kein entscheidender Schlag gegen Hisbollah  geglückt war. Auch die im Südlibanon stationierten Blauhelmsoldaten der UNIFIL-Mission könnten schnell ins Kreuzfeuer der Konfliktparteien geraten. Ganz ähnlich war es bereits den Blauhelmsoldaten, die im Rahmen der UNDOF-Mission die demilitarisierte Pufferzone zwischen Syrien und Israel überwachen, 2013 ergangen, als eine philippinische Einheit von der al-Nusra-Front gefangen genommen wurde.

Frontlinien in Syrien

Grob gesagt kann mal also konstatieren: Das Assad-Regime wird unterstützt von Russland, Iran und der Hisbollah, die Freie Syrische Armee findet bei den USA, der Türkei und Saudi-Arabien Unterstützung, während nichtstaatliche Stellen in den Golfstaaten aber auch in der Türkei ISIS oder die al-Nusra-Front fördern. Die kurdischen Peschmerga werden sowohl von der Türkei aus Sorge vor einem unabhängigen Kurdenstaat bekämpft, als auch vom Westen mit Luftschlägen und Logistik versorgt. Ein unhaltbarer Zustand. Die militärische Kooperation der verschiedenen Blöcke im gemeinsamen Kampf gegen den „Islamischen Staat“ muss als eines der Hauptziele europäischer Politik gelten. Dass hierbei idealerweise vor Beginn einer Intervention mit Bodentruppen eine Einigung erzielt werden muss, sollte den Verantwortlichen klar sein.

Siehe auch: Die internen Konfliktparteien im Syrischen Bürgerkrieg

2 Gedanken zu “Die externen Konfliktparteien im Syrischen Bürgerkrieg

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